Wir sind alle einzigartig und individuell - und das ist auch gut so. Denn jeder hat seine eigenen Stärken, die sich in der Gesellschaft und in der Berufswelt wie Puzzleteilchen gegenseitig ergänzen. Würde man jedoch eine Persönlichkeitsanalyse durchführen, hätte man schnell gemerkt, dass es Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale gibt, die sich bei allen Menschen wiederfinden. Und genau diese Tatsache fasziniert seit langer Zeit viele Psychologen.
Die Persönlichkeit ist eine wichtige Bestimmungsgröße für die Gedanken, Gefühle und das Verhalten einer Person. Sobald wir über die Eigenschaften einer Person sprechen, nennen wir meist tatsächlich eine Reihe von Merkmalen und verwenden oft unterschiedliche Adjektive, die die Person beschreiben. So hört man oft: "Sie ist ein aufgeschlossener Mensch", was bedeutet, dass sie fröhlich, freundlich und kontaktfreudig ist. Oder: "Er ist sehr gewissenhaft", was eine zuverlässige und sorgfältige Person beschreibt. Jeder von uns führt unbewusst eine Persönlichkeitsanalyse von seinen Mitmenschen durch. Wir schauen, analysieren und bilden uns unsere Meinung. Dieser Vorgang ist für die Entwicklung eines jeden Menschen wichtig. Daraus lernen wir und verstehen, in welchen Bereichen noch Verbesserungspotential vorhanden ist – das ist essentiell für die persönliche Weiterentwicklung.
Die fünf Hauptmerkmale, aus denen sich die Persönlichkeit einer Person zusammensetzt, können in Form eines hierarchischen Persönlichkeitsmodells "Big-Five" dargestellt werden. Das Big-Five-Modell ist das bekannteste sowie das am besten wissenschaftlich belegte Modell der Persönlichkeitspsychologie und ermöglicht eine genaue Erfassung der menschlichen Persönlichkeitsfaktoren. Diese Faktoren unterscheiden sich in ihrer Ausprägung und beschreiben das menschliche Verhalten in fast allen Lebensbereichen. Die Stärke der Ausprägung dieser fünf Faktoren ist genetisch veranlagt.
Im englischsprachigen Raum wird das Big-Five-Modell auch als das OCEAN-Modell bezeichnet und beruht auf folgenden Faktoren, die ein ziemlich vollständiges Persönlichkeitsporträt beschreiben können:
1. Openness (Offenheit für Erfahrungen):
Das erste Persönlichkeitsmerkmal des Big-Five-Modells, ist die Offenheit für Erfahrungen. Es zeigt, wie offen ein Mensch für alle Arten von internen und externen Reizen ist. Zudem beschreibt dieser Faktor seine Interessensbreite und seine Risikobereitschaft. Menschen, die offen für Erfahrungen sind, können sich in Bereichen einen Vorteil verschaffen, in denen sich die Arbeitsumgebung bzw. Bedingungen schnell ändern, Innovationen erforderlich sind oder erhebliche Risiken eingegangen werden müssen.
Solche Arbeitnehmer sind offen für neue Erfahrungen, risikobereit, wissensbegierig und experimentierfreudig. Sie sind in kreativen und innovativen Unternehmen besonders erfolgreich und weisen in diesen Bereichen eine hohe Motivation auf.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Menschen, die als offen und risikobereit eingestuft sind, sich selbständig machen und ihr eigenes Unternehmen gründen. Die Unternehmen, in denen solche Persönlichkeiten zuvor tätig waren, haben ihr Handeln zu stark einschränkt und den Drang nach Innovation nur wenig gefördert. Menschen mit dem Drang, stets neue Erfahrungen zu sammeln, wollen meist ihren eigenen Weg gehen, sich kontinuierlich weiterentwickeln und ihre Karriere bestmöglich vorantreiben.
Während Offenheit für Erfahrungen sicherlich ein tolles Merkmal sowohl in der Selbständigkeit als auch in Bereichen ist, in denen Innovationen erforderlich sind, brauchen die Unternehmen auch Mitarbeiter, die ihre Arbeit einfach erledigen und nicht stets den Drang zur persönlichen Weiterentwicklung haben. Aus diesem Grund sind einige Arbeitgeber vorsichtig, Mitarbeiter einzustellen, die den ständigen Wunsch nach Innovationen haben und zu hohe Risikobereitschaft aufweisen.
2. Conscientiousness (Gewissenhaftigkeit)
Gewissenhaftigkeit beschreibt in wie fern eine Person zuverlässig, gewissenhaft und hartnäckig ist. Personen mit einem geringen Maß an Gewissenhaftigkeit mangelt es möglicherweise an Selbstdisziplin und Motivation. Sie haben keine hohen Ansprüche an sich selbst und an ihre Tätigkeit. Ein Gegenpol hierzu sind die Personen mit einem hohen Maß an Gewissenhaftigkeit. Sie sind gut organisiert und sehr diszipliniert. Diese Eigenschaften tragen maßgeblich zum beruflichen Erfolg bei. Die Mitarbeiter mit diesem Persönlichkeitsmerkmal haben gute Chancen auf eine Beförderung und die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Entwicklung ihrer Karriere. Gewissenhaftigkeit ist in vielen Tätigkeitsbereichen wichtig und wird als guter Prädiktor für eine gute Leistung angesehen. Arbeitnehmer mit einem hohen Grad an Gewissenhaftigkeit sind bei Unternehmen beliebt, denn sie arbeiten sehr genau und zielorientiert.
3. Extraversion
Extraversion ist eine positive sowie emotionale Einstellung und ist ein Charakterzug, aufgrund dessen eine Person positive Emotionen erfährt, sich in der Gesellschaft gut integriert fühlt und den anderen Menschen positiv gegenübersteht. Menschen mit einer hohen Extraversionsrate sind sehr kontaktfreudig, selbstsicher und optimistisch. Introvertierte Menschen, die hingegen eine geringe Extraversionsrate aufweisen, erleben kaum positive Emotionen und interagieren weniger gut mit anderen Menschen.
Bei der Arbeit erleben Extravertierte mehr positive Emotionen als Introvertierte. Sie fühlen sich mit ihrer Arbeit zufrieden, besitzen hohe Motivation und streben nach Beförderung. Zusammenfassend kann ihre Einstellung zu Unternehmen, Arbeitsumgebung und Kollegen als positiv charakterisiert werden. Extravertierte nehmen schneller Kontakt zu ihren Mitmenschen auf. Sie eignen sich hervorragend für Bereiche, in denen häufiger Kontakt mit Personen erforderlich ist, zum Beispiel im Vertrieb, Kundendienst und medizinischen Bereich.
4. Agreeableness (Verträglichkeit)
Verträglichkeit ist eine Eigenschaft, die das interpersonelle Verhalten beschreibt. Verständnisvolle Kommunikation und die Fähigkeit, an andere zu denken, sind charakteristisch für Menschen mit einem hohem Verträglichkeitswert.
Menschen mit einer geringen Verträglichkeit sind hartnäckig, misstrauisch und oft unhöflich. Sie besitzen eine geringe empathische Kompetenz. Sie mögen es nicht, in einem Team zu arbeiten. Ein geringer Grad an Verträglichkeit kann in Berufen nützlich sein, die eine Hartnäckigkeit von einer Person erfordern, wie z. B. einem Wirtschaftsprüfer und Gerichtsvollzieher. Eine hohe Verträglichkeit besitzen hingegen Menschen, die gerne mit anderen Menschen arbeiten, sie sind gute Teamplayer. Verträglichkeit kann eine wertvolle Eigenschaft in Bereichen sein, in denen man gute Beziehungen zu Menschen aufbauen muss. Solche Menschen können hervorragend im Vertrieb arbeiten. Sie besitzen hohe emphatische Kompetenz, wissen ganz genau, was der Kunde möchte und können gut auf seine Wünsche eingehen.
5. Neuroticism (Neurotizismus):
Neurotische Personen sind anfällig für negative Emotionen und Depressionen. Sie nehmen sich und ihre Umwelt meist sehr negativ wahr. Menschen, die zu Neurotizismus neigen, erleben bei der Arbeit eher negative Emotionen, leiden häufiger unter Stress und stehen im Allgemeinen der Situation in ihrer Organisation negativ gegenüber.
Personen mit einem hohen Grad an Neurotizismus stehen sich und ihrer Arbeit oft kritischer gegenüber als Menschen mit einer niedrigeren Ausprägung. Diese Eigenschaft ermöglicht es ihnen eine bessere Leistung als andere zu erbringen und kann sich daher in Bereichen der Qualitätskontrolle beweisen, in denen kritisches Denken und die Fähigkeit zur kritischen Bewertung erforderlich sind. Menschen mit einem geringen Grad an Neurotizismus erleben selten negative Emotionen und sind nicht so kritisch und pessimistisch wie ihre hochneurotischen Kollegen.
Man kann nicht sagen, dass es einen guten oder schlechten Persönlichkeitstyp gibt. Jede Person ist auf ihre Art und Weise einzigartig. Jeder Persönlichkeitstyp hat seine Stärken und kann in einem für ihn passenden Tätigkeitsbereich erfolgreich arbeiten.
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