Die individuelle Kundenberatung in der Bank – Geschichte oder Zukunftsmusik?
Weder noch, finden Sie? Vollkommen richtig, denn die individuelle Beratung von Bankkunden hat nie an Aktualität verloren. Sie ist allgegenwärtig und vor allem eines: Sie ist möglich!
Beinahe jeder Vertriebsmitarbeiter hat im Lauf seiner Karriere schon eine Flaute erlebt. Das Geschäft läuft nicht, wie es soll, der Chef schwingt die Vertriebskeule und ein Produkt nach dem anderen muss bespielt werden. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Druck übermächtig wird, der Mitarbeiter die Lust verliert und eine ehrliche, authentische Kundenberatung zugunsten von vermeintlichen Vertriebserfolgen in den Hintergrund gedrängt wird.
Wem ist da nicht schon beim Best-Practice-Austausch der verzweifelte Satz „Meine Kunden sind einfach zu anspruchsvoll, sie wollen keine normierten Standardprodukte, sondern individuell beraten werden“ herausgerutscht?
Ihnen auch? Allen anderen Meinungen zum Trotz: Gut, dass Sie das ausgesprochen haben! Ihre Enttäuschung darüber, dass etwas nicht funktioniert, signalisiert gleichzeitig Veränderungsbereitschaft. Sie haben erkannt, dass etwas schiefläuft, und genau hier können Sie bei sich ansetzen, Hilfe annehmen und wieder auf Erfolgskurs gehen.
Formulieren Sie Ihre Aussage am besten gleich um: "Meine Kunden sind zum Glück so anspruchsvoll, ich kann es mir auf keinen Fall leisten, ein normierter Standardberater zu werden."
Prima, das ist doch eine erfolgversprechende Einstellung. Aber Paradigmenwechsel wie dieser vollziehen sich nicht von heute auf morgen. Wenn der Verstand begriffen hat, worum es geht, dauert es immer noch eine Weile, bis es sich richtig anfühlt. Also agieren Sie mit Bedacht, nehmen Sie sich Zeit und - ganz wichtig - üben Sie. Wir zeigen Ihnen, worauf es ankommt und wie Sie bei sich bleiben.
Sagen Sie "Ja" zum Vertrieb
Hand aufs Herz: Stehen Sie grundsätzlich hinter Ihrem Unternehmen und seinen Produkten? Gefällt Ihnen das Leitbild? Fühlen Sie sich in der Unternehmensphilosophie zu Hause? Möchten Sie sich im Lauf Ihrer Karriere in der Bank weiterentwickeln und gibt es entsprechende Perspektiven? Nur wenn Sie diese Fragen mit "Ja" beantworten können, lohnt es sich, den Blick nach innen zu richten und an sich zu arbeiten. Äußere Umstände können Sie nicht oder nur sehr begrenzt verändern.
Machen Sie sich auch nochmals bewusst, dass Sie Vertriebsziele auf normierte Standardprodukte haben und immer haben werden. Ihr Arbeitgeber wird außerdem einiges daran setzen, damit Sie diese auch erreichen. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig einen Interessenskonflikt mit der individuellen Kundenberatung. Ganz im Gegenteil, genau das ist die hohe Kunst des Verkaufens: Den Kunden in den Mittelpunkt des Handelns stellen und gleichzeitig die Vertriebsziele erreichen.
Nun kommt es auf Sie an: Nehmen Sie die Herausforderung an?
Individuelles Produkt vs. individuelle Beratung
Vielfach wird die individuelle Beratung mit individuellen Produkten gleichgesetzt. Hier ist es wichtig, eine klare Trennung der Begrifflichkeiten herbeizuführen. Individuelle Produkte sind speziell auf einen Kunden und seine persönliche Situation zugeschnitten, während in der individuellen Beratung die bestmögliche Lösung für den Kunden aus einer vorgegebenen Produktpalette herausgearbeitet wird.
Die schlechte Nachricht zuerst: Maßgeschneiderte Bankprodukte sind eine Utopie. Bankprodukte sind nicht individuell und können es rein organisatorisch auch nicht werden. Bestenfalls gibt es mehrere geringfügig individualisierbare Varianten eines Standardproduktes.
Die gute Nachricht ist: Beratung kann, darf und muss so individuell sein wie Sie als Mensch selbst. Nur dann ist es echte Beratung. Die Grundvoraussetzungen dafür, egal ob sich ihr Kundengespräch um Investments, Zahlungsverkehr oder Kreditgeschäfte dreht, tragen Sie bereits in sich:
Sie sind kompetent.
Sie treten authentisch auf und verstellen sich nicht.
Sie geben sich Mühe, Ihren Kunden gut kennenzulernen.
Sie hören zu.
Sie filtern die Kundenbedürfnisse.
Sie beraten Ihre Kunden bedarfsgerecht.
Individuell beraten fühlen sich Kunden, für die Sie
sich unabhängig vom Ertrag Zeit nehmen.
pünktlich und bestens vorbereitet zum Termin erscheinen.
einen Experten hinzuziehen, wenn Sie selbst nicht weiter wissen.
sich an alle getroffenen Vereinbarungen halten.
Tipp 1 für mehr Erfolg im Vertrieb:
Machen Sie doch einmal einen "Rollentausch". Gehen Sie als Kunde in eine Bank und lassen Sie sich beraten, ohne sich als Banker erkennen zu geben. Notieren Sie sich zu Hause, wie individuell beraten Sie sich gefühlt haben und warum das so war. Hier einige Anregungen:
Was haben Sie positiv am Auftritt des Kundenberaters in Erinnerung?
Mussten Sie warten?
Spielte das Erscheinungsbild des Beraters eine Rolle?
Hatten Sie den Eindruck, man wolle Ihnen lediglich etwas verkaufen?
Schreiben Sie sich auf, worauf Sie selbst Wert legen würden, und vergleichen Sie die Ergebnisse mit Erfahrungen aus Ihrer eigenen Karriere. Sie werden auf viele neue Anreize stoßen, versprochen!
Standardprodukte sind besser als ihr Ruf
Nun, nachdem Sie den Fokus auf sich und ihre Individualität gerichtet haben, können Sie sich Ihrer Produktpalette widmen. Sehen Sie sich um in Ihrem Angebot. Fällt Ihnen etwas auf? Richtig, hier liegt Ihre Kernkompetenz! Sie sind der/die Expert/e*in, der/die in der Lage ist, aus der großen Produktauswahl das Richtige für den Kunden herauszusuchen. Jede Menge Fachwissen und ein gutes Gespür für Menschen sind die erforderlichen Skills hierfür. Zugegebenermaßen bescheren Sie Ihren Kunden mit normierten Standardprodukten keinerlei Exklusivität. Den sogenannten Snob-Effekt werden Sie damit schwerlich hervorrufen können. Aber ganz ehrlich: Welcher Kunde möchte schon ein Investment ausprobieren, zu dem es noch gar keine Erfahrungswerte gibt? Genau an diesem Punkt setzen Sie in der individuellen Beratung mit standardisierten Produkten an. Den Snob-Effekt haben Sie gar nicht nötig. Sie nutzen nämlich den sogenannten Gruppensog-Effekt. Wahrheitsgemäß berichten Sie Ihren Kunden von den guten Erfahrungen anderer Kunden mit den Produkten Ihrer Bank und rufen damit "Was für andere gut ist, kann für mich nicht schlecht sein" ins Gedächtnis der Kunden. Das strahlt doch deutlich mehr Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit aus als Exklusivität, oder? Es geht schließlich um das Vermögen Ihrer Kunden.
Tipp 2 für mehr Erfolg im Vertrieb:
Schreiben Sie sich ein Verkaufsskript zu einem aktuellen Produkt und einem bevorstehenden Kundentermin. Was möchten Sie dem Kunden unbedingt über das Produkt mitteilen? Warum halten Sie es für sinnvoll? Wichtig ist hierbei, dass Sie mit Ihren "eigenen Worten" schreiben. Üben Sie dann das Beratungsgespräch gemeinsam mit Ihren Kollegen in der Bank und geben Sie sich gegenseitig Feedback zu folgenden Punkten:
Kompetenz
Vertrauenswürdigkeit
Authentizität
Empathie
Wenn Sie dafür bereit sind, filmen Sie das Beratungsgespräch und analysieren Sie es gemeinsam.
Keine Vorurteile, bitte - bleiben Sie offen
Ein Berater, der in der Lage ist, sich zu einem Produkt eine eigene Meinung zu bilden, wird gerade deswegen oft sehr geschätzt. Er lässt seine Erfahrung und Weitsicht mit einfließen und kann darauf basierend eine Empfehlung aussprechen. Aber auch hier ist Vorsicht geboten, denn allzu schnell gerät man dabei in die falsche Schiene und sieht das Produkt nur mit den eigenen Augen, ohne die persönlichen Umstände des Kunden mit einzubeziehen. Das Produkt landet dann im Papierkorb und man entwickelt eine Abneigung dagegen. Bedenken Sie bitte: Auch wenn das Produkt objektiv betrachtet vielleicht nicht Ihrem Geschmack entspricht, kann es trotzdem zum Kunden passen. Wechseln Sie also regelmäßig die Perspektive, um sich daran zu erinnern und sehen Sie sich das Produkt aus der Warte des Kunden an. Im Übrigen, je besser Sie Ihre Kunden kennen, desto einfacher wird es.
Tipp 3 für mehr Erfolg im Vertrieb:
Berufen Sie doch wieder einmal ein Best-Practice-Meeting ein und tauschen sich mit Kollegen aus. Sie erhalten so viele neue Anregungen und können Ihre eigenen Erfahrungen weitergeben. Auch während eines Austauschs unter Kollegen entstehen oft großartige Ideen und Sie entdecken neue Ansatzpunkte.
Sie verkaufen, der Kunde kauft
Lassen Sie sich diesen Satz einmal auf der Zunge zergehen. Immer wenn Sie starken Vertriebsdruck verspüren, seien Sie sich gleichzeitig im Klaren darüber, dass es nicht Ihre Aufgabe ist, eine Kaufentscheidung für den Kunden zu treffen. Das ist weder Ihre Pflicht noch Ihre Verantwortung. Ihre Pflicht ist es, bedarfsgerecht und ehrlich zu beraten. Ihre Verantwortung liegt darin, sich das erforderliche Fachwissen anzueignen. Die Kaufentscheidung muss und will(!) der Kunde selbst treffen. Wenn Sie in ein Verkaufsgespräch gehen, dann haben Sie meist ein oder mehrere Produkte dabei, die Sie verkaufen wollen und sollen. Eine Vorauswahl zu treffen, ist aber nur dann sinnvoll, wenn Sie Ihren Kunden sehr gut kennen und viel über die persönliche Situation des Kunden wissen. Kennen Sie sich noch nicht ausreichend gut, nehmen Sie sich durch die mitgebrachte Auswahl eventuell die Chance, im Termin schnell und flexibel auf die Kundenbedürfnisse zu reagieren. Wenn der Kunde Ihre Auswahl ablehnt, endet der Termin. Sind Sie aber flexibel und kreieren im Gespräch spontan eine neue Lösung, so kommen Sie wahrscheinlich doch ins Geschäft. Gehen Sie also bestens vorbereitet in Ihre Termine, aber überlassen Sie die Entscheidung Ihrem Kunden. Und vergessen Sie nicht: Nicht jeder Termin bringt Ertrag in der Gegenwart, aber ein Kunde, der das Gefühl hat, sich frei entscheiden zu können, kommt sicher zu Ihnen zurück.
Tipp 4 für mehr Erfolg im Vertrieb:
Sie wissen bereits, dass ein Kunde sich nur schwer entscheiden kann? Dann überlegen Sie sich bereits vor dem Termin, welche Einwände der Kunde gegen die angebotenen Produkte haben könnte und was Sie diesen Einwänden entgegenhalten möchten. Am besten machen Sie das schriftlich und spielen die Situation mit einem Kollegen in der Bank durch. So können Sie selbstbewusst und kompetent auf Einwände reagieren lernen. Wenn Sie sich die Argumentation erst im Termin zurechtlegen müssen, geht Ihnen wertvolle Zeit verloren, in der Sie auf den Kunden eingehen könnten.
Motivation und Selbstfürsorge
Jeden Menschen treibt etwas anderes an. Eine Karriere im Vertrieb braucht eine hohe intrinsische Motivation. Das bedeutet, als Vertriebsmitarbeiter muss man über die Fähigkeit verfügen, sich selbst zu pushen. Während extrinsische Motivationen wie Geld und Lob meist nur kurzfristig wirken, spornt die Liebe zum Beruf, zum Kunden und zur Karriere dauerhaft an. Und eine Karriere will gepflegt werden. Hierbei geht es nicht ausschließlich um "schneller", "höher" und "weiter", sondern darum, dass Sie sich als Vertriebsmitarbeiter aktiv einbringen, indem Sie
Fortbildungsangebote rege nutzen,
Bereitschaft zur Weiterentwicklung signalisieren,
eigene Vorschläge und Ideen einbringen,
Feedback von Vorgesetzten und Kollegen einfordern.
Stillstand und Langeweile kehren so sicher nicht ein und Sie gehen von der Reaktion in die Aktion. Probieren Sie es aus, Sie werden sehen, proaktives Handeln spornt an und bringt Erfolg ein. Natürlich ist ein gesunder Ehrgeiz und Antrieb in Ordnung und förderlich für den Ertrag. Motivierte Mitarbeiter sind etwas Wunderbares. Aber agieren Sie mit Maß und Ziel, damit Sie gesund und leistungsfähig bleiben.
Tipp 5 für mehr Erfolg im Vertrieb:
Setzen Sie sich nicht zusätzlich selbst unter Druck, Ihre Kunden spüren das sofort. Es passiert nichts, wenn Sie eine Flaute haben, solange Sie nicht aufgeben.
Alles muss geübt werden, es ist noch kein Vertriebsprofi vom Himmel gefallen.
Beratungsgespräche gehen auch manchmal daneben, das passiert - kein Beinbruch.
Ihrem Handeln sind Grenzen gesetzt und es wird Kunden geben, für die Sie keine passende Lösung finden können, weil Ihnen schlicht und einfach die Möglichkeiten fehlen. Bieten Sie dem Kunden die bestmögliche Lösung an und haben Sie keine Angst, "Nein" zu sagen. Auch das kann eine gute Geschäftsbeziehung stärken.
Tauschen Sie Ideen und Anregungen regelmäßig mit Kollegen aus. Einzelkämpfer haben es schwer.
Viel Erfolg bei der Umsetzung und bleiben Sie aktiv!
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